Kippwelt
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Kipppunkte? Wo kippt es? Geht irgendwas dann nicht mehr weiter wie vorher? Fährt ein Projekt gegen die Wand? Ich las dieses Open-Call-Motto 2024 für eine Ausstellung in der Galerie "Oberwelt". Dort servierte ich eine dem schnellen Besucher zugängliche Medien-Klein-Installation. Das hier Durchdachte und Inszenierte unterließ ich.   

Sortieren wir zunächst mal:

- Welche Kippmomente finden statt und klären sich ab dem Stattfinden oder erst später als solche?

- Welche Kippphasen sind vorhersagbar, werden vorhergesagt und werden zu spät zu vermeiden versucht?

Beispiel "Kippunkt wird erst zu spät gesehen": Kanzlerin Angela Merkel sagte beim ersten Flüchtlingsstrom nach Deutschland in ihrer Regierungszeit am 31. August 2015: "Wir schaffen das" und stellte keine Anforderungen an die Flüchtlinge (Judenfreundlichkeit in Deutschland; mindestens so viele Frauen und Kinder sollen über die Grenze gelangen wie Männer; Lernen der deutschen Sprache als zweites Ziel nach der Unterkunft unter Einbezug arbeitsloser Deutscher).
Die soziale Situation in Deutschland kippt seitdem.

Makaber die Klimakatastrophe: Sie war nicht nur vorhersagbar. Auch dass sie politisch nicht abwendbar sein würde, war vorhersagbar. Noch 2024 wird der Umbau der Produktion aller Dinge nicht als zentral formuliert ("Stelle reparierbare und haltbare Dinge her"). Der Nachwuchs fährt ab auf Ein-Prozent-Änderungen ("Stopp das Pupsen der Kühe. Iss vegan."). Die kurz in die Regierung gelangten Grünen lassen sich von Firmenvertretern blenden ("Wärmepumpe") und versuchen zu diktieren statt zu locken. Der Öko-Gedanke wird in Deutschland auch bei teilweise im Prinzip bereiter Bevölkerung gegen die Wand gefahren. Weltweit wird vorhersagbar weiter verbraten und geheizt.

Gehen wir mal über zu dem Phänomen, das Handeln weltweit lahmlegt: Die Verwaltung. Bei jeder Firma, wenn ihre Belegschaft eine Kipppunkt-Zahl übersteigt, wächst mit den Jahrzehnten die Verwaltung.
Im Handlungs- und eben Nicht-Handlungsbereich örtlicher bis staatlicher Verwaltung lauert das enorme Delirium, durch das wir bei Kontakten mit Verwaltungen navigieren. Wo Organisation von Menschen durch Verwaltung umkippt in Lähmung der Menschen durch Verwaltung - das nenne ich jetzt mal "Parkinsons Kipppunkt" nach dem Marinehistoriker
Cyril Northcote Parkinson, der über das Verwaltungswachstum 1956 ein Buch schrieb. Vorsicht: Im Internet versuchen Google und Vermarkter, belanglose "Parkinsonsche Gesetze" über die Kernaussage des Buches zu schieben. (Google verschiebt Informationen? Ertrinke mal in lauter Fehlleitungen, wenn du Texte zum "Abschaffen der Aktie" suchst.)

Menschen wählen Populisten, die dann zu Diktatoren werden: Politische Kipppunkte.

Wirft die massive Unzuverlässigkeit der Bundesbahn Deutschland zurück in die Zustände eines Entwicklungslandes? > Strukturelle Kipppunkte.

Werfen wir einen Blick auf ein derzeit gekipptes Kunst-Event und fragen uns: Wann ging das los? Wann kippte die Dokumenta Kassel um in ein heftig beworbenes Hohl-Event?

- mit Catherine David 1997

- mit Carolyyn Christov-Bakargiev 2012

- mit Adam Szymczyk 2017

- mit ruangrupa 2022 ?

(Antwort: Mit eben diesen vier Genannten kippte der Laden)

...... okay, wir kippen über zu Stammtischscherzen:

Verstand kippt um in Wahnsinn: Nietzsche umarmt ein Pferd: Kommunikative Kipppunkte.

Die Titanic stellt sich beim Sinken senkrecht im Film "Titanic": Ballistische Kipppunkte.

Das griechische Drama verkünstelt sich darin, dem Helden in seinen Wechselwirkungen mit Außeneinflüssen keine Chance zum Vermeiden des Unglücks zu geben: Kunstvoll-gruselige Kipppunkte.

Wir sind soeben mit allerlei Beispielen von der Kipppolitik her zur Kippkultur gelangt. Da bewege ich mich auf der Folgeseite zum darstellbaren, von mir ausstellbaren Subtilen:

Von einem Fotogemälde, das ich mit Ölfarbe nachbearbeitete, ließ ich eine Kopie des vorherigen, unbemalten Zustandes erstellen. Die beiden Gemälde nebeneinander tragen die Untertitel "besser, billiger" (das Anfangswerk links im Foto) sowie "schlechter, teurer" (mit dem hier zu platt geratenen Versuch, aus einem kopierbaren, in sich runden Werk ein vom Künstler nachbearbeitetes Original zu schaffen, rechts im Foto unten).

"Moderne Kunst fein abgegrenzt von Unkunst":

Zwei einander ähnelnde Fotogemälde von Chris Mennel mit einem Film in der Mitte